Sportwissenschaft - Torsten Kleine

In der Schule

 

Torchball - eine Spielidee für den Schulsport

„Das Spielen entdecken und Spielräume nutzen“ – diesen Inhaltsbereich gilt es nach Maßgabe vieler deutscher Lehrpläne [1] im Sportunterricht „mit Leben“ zu füllen. Torchball bietet die Gelegenheit, eine neue Spielidee weiterzuentwickeln und auszugestalten. Eine besondere Chance liegt gerade darin, dass keine differenzierten Regelvorschriften vorliegen und nicht auf bewährte Techniken und Taktiken im Spiel zurückgegriffen werden kann. So lassen sich Facetten sportlichen Spielens weitestgehend ohne normative Setzungen der Sportspielkultur erschließen.

Intentionen

Bei der Frage des Lehrens und Lernens im Sportspiel Torchball orientieren wir uns daran, Kompetenzen bei den Lernenden herauszubilden, die sie zu einer selbstbestimmten Auseinandersetzung mit Bewegung und Sport befähigen. Dies bedeutet für uns, Lehren als Vermittlung zu verstehen und eine Wechselwirkung zwischen Subjekt (SchülerInnen) und Objekt (Torchball) zu ermöglichen[2]. Und damit heißt dies auch, an dieser Stelle keinen Kanon von Zielen vorzugeben, sondern Optionen anzudeuten, die Lehrende und Lernende im Vermittlungsprozess als sinnvoll erleben könnten, die für die Lernenden erfahrungsoffen gestaltet sind und die auf den Transfer in andere sportliche Situationen angelegt sind.

  • Reflexion über die Funktionalität von sportlichen Techniken und taktischen Maßnahmen
  • Emanzipation von normativen Vorgaben in den klassischen Sportspielen und kulturelle Mitgestaltungsfähigkeit[3]
  • Kooperation als notwendiger Weg zu erfülltem Mit- und Gegeneinander

Wir sind überzeugt davon, dass die Materialien Torch und Flame einen hohen Aufforderungscharakter zur (sportlich)-spielerischen Entdeckung und Erprobung bieten. Dies kann individuell, partnerschaftlich oder in der Gruppe geschehen. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass dies – ähnlich wie etwa mit der Frisbee-Scheibe – von verschiedenen Altersgruppen auch als reizvoll und sinnstiftend erlebt wird: Wie kann mit ihnen geschickt und kunstvoll jongliert werden? Wie kann mit ihnen ein genauer und schneller Pass zum Mitspieler gelingen?

Didaktische Schwerpunkte

Die bisher fehlende sportkulturelle Historie von Torchball ermöglicht aus unserer Sicht zwei thematische Akzentuierungen für den Sportunterricht mit Blick auf die o.g. Ziele in besonderem Maße:

  • Umgang mit Heterogenität
  • Selbstständiges Gestalten des eigenen sportlichen Handelns

In vielen Dimensionen besteht die Verschiedenheit der Schülerinnen und Schüler auch in der ersten Torchball-Stunde, allerdings sind die Unterschiede in der sportartspezifischen Leistungsfähigkeit reduziert und die Unterschiede in der Erwartungshaltung nicht sportkulturell geprägt. Daraus resultiert z.B. die Gelegenheit des reflektierten Umgangs mit der Entwicklung von motorischen Leistungsunterschieden oder die Ausgestaltung von Torchball als Klassenspiel, das ohne kulturell geprägte Vorbilder gemeinsam auszuhandeln ist oder die Erarbeitung von zweckmäßigen Wurf- und Fangtechniken ohne Lehrbuchvorgaben. Hier eröffnet sich eine Bandbreite zwischen Üben und Trainieren der individuellen Fertigkeiten, Entdecken und Evaluieren gruppentaktischer Fähigkeiten oder der reflektierten Entscheidung über das eigene Sporttreiben[4]. Im Hinblick auf das sportliche (Wettkampf-)Spiel erfordert Torchball durch seine drei Grundregeln Kooperation. Während im Fußball, Handball, Basketball oder Volleyball prinzipiell Alleingänge oder Einzelaktionen (im Angriff) möglich sind, ist es im Torchball durch das „In-and-Out-Prinzip“ und das Verbot, mit dem Ball zu laufen, konstitutiv, mit Partner und Mitspieler stets zusammenzuarbeiten.

Vermittlungsprinzipien

Für die Vermittlung von Torchball in der Schule schlagen wir die folgenden Prinzipien vor:

Die Prinzipien sind dadurch gekennzeichnet, dass auf der Basis von wenigen, relativ festen Vorgaben von Beginn an das Spiel gestaltet, reflektiert und weiterentwickelt wird. Forciert werden kann die Spielentwicklung u.a. durch Ziele, die die Lehrperson einbringt (z.B. kooperative Ziele in einer Klasse mit Cliquen-Bildung), durch Ziele der Lernenden (z.B. endlich ein Spiel zu gestalten, wo nicht „sowieso die Vereinsspieler immer den Ball haben“), durch „zwingende Aufgaben“ (z.B. zweckmäßige Bewegungslösungen für den Zielwurf ins Goal fördern) oder durch (ggf. von den SpielerInnen selbst kreierte) kleine Spiel- und Wettkampfformen, die taktisch-sinnvolle Handlungsmuster hervorbringen.

Im Schulsport insgesamt sehen wir Torchball als geeigneten Gegenstand, der im Sportunterricht unter unterschiedlichen Perspektiven thematisiert werden kann und der auch im außerunterrichtlichen Schulsport – etwa auf dem Pausenhof – zum Ausgleich und zur freien Bewegungsgestaltung genutzt werden kann. Angesichts der motorischen Anforderungen erscheint uns nach den bisherigen Erfahrungen der Einsatz unter ausgewählten Themenstellungen ab Klasse 5 und generell ab Klasse 7 empfehlenswert.

Lehrerhandreichung

Die ausführliche Darstellung der Vermittlungsüberlegungen und ein sechsstündiges Unterrichtsvorhaben bietet die Lehrerhandreichung "Torchball. Eine Handreichung für den Schulsport." Wuppertal 2013, die von Dr. Tim Bindel und Torsten Kleine herausgegeben wurde und hier bestellt werden kann.

Literatur:

Gogoll, A. (2011). Sport- und bewegungskulturelle Kompetenz. Eine Voraussetzung für den Aufbau von Handlungsfähigkeit im Bereich Sport und Bewegung. Sportpädagogik, 35 (5), 46-51.

Klafki, W. (1997). Die bildungstheoretische Didaktik im Rahmen kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft. In H. Gudjons & R. Winkel (Hrsg.), Didaktische Theorien, 9. Aufl. (S. 13-34). Hamburg: Bergmann + Helbig Verlag.

Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.). (1993). Gesundheitserziehung in der Schule durch Sport. Handreichung. Remagen: AOK-Verlag.

Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.). (2001). Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe I – Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Sport. Frechen: Ritterbach.

Scherer, H.-G. & Bietz, J. (2013). Lehren und Lernen von Bewegungen. Schneider: Hohengehren.


 

http://www.itps.uni-wuppertal.de/index.php?id=2347#_ftnref1[1] Z.B. Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.). (2001), S. 42f.

http://www.itps.uni-wuppertal.de/index.php?id=2347#_ftnref2[2] Vgl. Scherer & Bietz, 2013, S. 181ff.

http://www.itps.uni-wuppertal.de/index.php?id=2347#_ftnref3[3] Vgl. Klafki, 1997, S. 15

http://www.itps.uni-wuppertal.de/index.php?id=2347#_ftnref4[4] Vgl. Gogoll, 2011

http://www.itps.uni-wuppertal.de/index.php?id=2347#_ftnref5[5] Vgl. Kultusministerium NRW, 1993, S. 49

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